Was macht Menschen glücklich und zufrieden?
Das Team der TreuePost hat fünf Fragen an Professor Stefan Diestel …
Professor Doktor Stefan Diestel hat Wirtschaftspsychologie studiert, in Psychologie promoviert und ist seit 2018 Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität Wuppertal. Hier forscht er unter anderem zu Achtsamkeit und Flowerleben sowie zur Stabilisierung von Gesundheit und Wohlbefinden.
Herr Diestel, aus psychologischer Sicht – was macht Menschen glücklich und zufrieden?
Diestel: Man unterscheidet hier zwei Zustände: Auf der einen Seite steht die hedonistische Perspektive, bei der es um ein momentanes, flüchtiges Glücksgefühl geht. Das erleben wir meist sehr intensiv und enthusiastisch. Auf der anderen Seite begegnet uns Zufriedenheit sehr viel leiser und zugleich nachhaltiger. Aristoteles hat dies mit dem Begriff der Eudaimonie definiert. Vereinfacht gesagt, geht es hier um das, was wir heute als Selbstverwirklichung bezeichnen. Wenn ich meine ganz eigenen Fähigkeiten und Ressourcen einsetzen kann und mich darin immer weiter verbessern kann. Wenn ich ganz in meiner Aufgabe aufgehe, dann sprechen wir heute auch von Flowerleben. Es ist ein aktives, gestalterisches Glückserleben.
Was kann der Mensch selbst dafür tun, glücklich zu sein?
Diestel: Eine gewisse Dialektik aus Anstrengung und Ruhe im Leben ist wichtig. Die Dinge selbst in die Hand nehmen, aktiv handeln, auch wenn es schwierig wird. Sich Ziele setzen – und daran arbeiten, sie zu erreichen. erzeugt ein Gefühl von Erfolg und Zufriedenheit. Natürlich helfen auch Sport und Kreativität dabei, sich gut zu fühlen. Auch die Freiheit zu haben, nicht tun zu müssen, was ich nicht tun will, ist gesellschaftlich gesehen, Glück. Ich kann dieses Glück empfinden, wenn ich mir diese Freiheit bewusst mache. Das ist überhaupt entscheidend, dass ich mich auf Dinge konzentriere, sie ganz bewusst wahrnehme. Dazu gehört auch, sich auf das zu konzentrieren, was man besonders gut kann und macht – nicht darauf, was einem nicht gelingt. Das kann man lernen.
Gibt es Faktoren, die Glück behindern?
Diestel: Das Arbeitsleben bereitet vielen Menschen sehr viel Stress. Sie erleben einen andauernden Spannungszustand und Druck. Wenn sie keine Gegenstrategien dazu entwickeln, keine Ruhe und Entspannung mehr empfinden können, ist ihnen auch das losgelöste Gefühl von Glück und Zufriedenheit nicht mehr möglich. Auf Dauer macht das krank und kann im schlimmsten Fall sogar tödlich sein.
Die Skandinavier gelten als besonders glücklich. Woran liegt das und was können wir von ihnen lernen?
Diestel: In den skandinavischen Ländern haben es die Menschen mit ganz besonderen Umständen zu tun. Im Sommer wird es kaum dunkel, im Winter kaum hell. Das hat natürlich einen starken Einfluss auf Schlafrhythmus und Wohlbefinden. In der Vergangenheit hatten die Skandinavier daher besonders oft mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen. Sie waren also eher benachteiligt. Man hat dort jedoch sehr viel Stress-Forschung betrieben und das Gesundheitssystem erlaubt aufgrund einer besseren Gleichbehandlung eine effektive Versorgung bei solchen Erkrankungen. Abgesehen davon gibt es dort ein hervorragendes Sozialsystem, wo kaum jemand durchs Netz fällt, die Menschen sind sehr auf die Gemeinschaft fokussiert und auch die Tagesabläufe sind weniger belastend als bei uns. In Schweden etwa arbeiten die Menschen viel weniger bei gleichem Lohn. Zugleich können die Arbeiter sehr viel mehr selbst entscheiden, etwa wann sie wo was tun. Diese Selbstbestimmung ist ein ganz wichtiger Faktor.
Macht Corona die Menschen unglücklicher?
Diestel: Das kommt darauf an. Man kann natürlich sagen, dass Corona die meisten Menschen in ihrer Freiheit beschneidet. Sie dürfen nicht mehr alles tun, wie sie es gewohnt waren. Weniger Party, weniger Urlaub, weniger Nähe – das ist ein großer Einschnitt und Verlust von Selbstbestimmung. Bei der Arbeit erleben viele im Homeoffice dagegen eine neue Freiheit. Sie arbeiten selbstbestimmter, ohne direkte Aufsicht, ohne Konflikte mit Kollegen und ohne lästiges Pendeln. Allerdings betrifft das eben nicht alle Menschen. Corona macht die soziale Ungleichheit sichtbar. Für die einen ist die Belastung immens angestiegen, wenn sie auf kleinem Raum den ganzen Tag mit Partner und Kindern verbringen müssen. Ohne Garten oder Balkon, ohne Möglichkeiten zum Rückzug. Andere haben den ruhigeren Takt genossen, wenn sie denn in einer großen Wohnung oder einem Haus leben, finanziell abgesichert sind. Diese Unterschiede sorgen natürlich für Frustration.
Ein Interview von Nicole Bolz, Journalistin für die TreuePost
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