Was macht die Wuppertaler glücklich?
Die glücklichsten Menschen der Welt leben in Dänemark. Seit Jahren landen die Skandinavier in weltweiten Umfragen auf den vordersten Plätzen – Hygge sei Dank. Doch wie ist es eigentlich um das Glück der Wuppertaler bestellt? Dieser Frage geht das Projekt „Glücklich in Wuppertal“ seit 2017 nach. Und siehe da, die Wuppertaler sind durchaus glücklich. Allen Vorurteilen zum Trotz sogar glücklicher als der deutsche Durchschnitt. Auf einer Skala von 1 (äußerst unglücklich) bis 7 (äußerst glücklich) entspricht das etwa dem Wert 5,5. Das ergab die Befragung über die gleichnamige App, die als gemeinsames Projekt des Wuppertal Instituts und der Happiness Research Organisation und mit Unterstützung der Sparkasse Wuppertal entstand. Rund 1.800 Teilnehmer erreichte die App zwischenzeitlich. Mit mehreren Fragebögen und einem Glücks-Tagebuch versuchten die Wissenschaftler, dem Glück auf die Schliche zu kommen. Die TreuePost sprach mit dem Projektleiter Hans Haake über die Ergebnisse.
Herr Haake, was macht die Wuppertaler glücklich?
Haake: Die gängigen Kriterien für Glück treffen auch auf Wuppertaler Bürger zu: Wuppertaler sind glücklicher, wenn sie studiert haben oder verheiratet sind, wenn sie mit Freunden zusammen sind und wenn sie draußen, also in der Natur oder anderswo unterwegs sind. Eine Wuppertaler Besonderheit ist, dass die Bürger glücklicher sind, wenn sie sich einbringen und ihre Stadt aktiv mitgestalten können. Allerdings haben nur 55 Prozent der Wuppertaler nicht das Gefühl, ihre Stadt direkt mitgestalten zu können. Auch das gute und günstige Wohnangebot in der Stadt macht Wuppertaler glücklich. Unzufrieden ist man in Wuppertal hingegen mit der Work-Life-Balance und der Arbeitsplatzsicherheit.
Und wo ist man in Wuppertal am glücklichsten?
Haake: Im Stadtteilvergleich schnitt Cronenberg am glücklichsten ab, gefolgt von Ronsdorf. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht repräsentativ, gerade der Unterschied zwischen den beiden Stadtteilen ist statistisch nicht nachweisbar. In Cronenberg haben 93 Menschen an der App-Befragung teilgenommen, in anderen Stadtteilen variiert die Zahl. Die wenigsten Glücksgefühle empfinden übrigens die Beyenburger.
Gibt es Wuppertaler Besonderheiten, die den Menschen hier ein gutes Gefühl bescheren?
Haake: Ja, ein echter Glücklichmacher in Wuppertal ist die Nordbahntrasse – ganze 96 Prozent der Befragten freuen sich darüber. Wir haben in unseren Erhebungen damals nach verschiedenen Projekten in der Stadt gefragt, wie nach einer Seilbahn oder einem Factory Outlet Center. Da waren die Meinungen eher gemischt. Inzwischen sind beide Projekte ja auch gar nicht mehr aktuell.
Ihre App liefert also auch wichtige Ergebnisse für die Stadtentwicklung?
Haake: Genau. Das Wuppertal Institut beschäftigt sich ja mit den Fragen: Wie kann unsere Gesellschaft nachhaltig sein, wie kann sie mit den vorhandenen Ressourcen auskommen und dabei trotzdem eine lebenswerte Gesellschaft bleiben? Menschen sollen glücklich sein. Deshalb beschäftigen wir uns mit Wohlstand, mit Möglichkeiten, diesen auch ohne maximales materielles Wachstum zu realisieren, und eben auch mit Glück. Denn es ist nicht überraschend: Es gibt viele Dinge, die zum Glück beitragen, ohne dabei der Umwelt zu schaden – Familie, Sicherheit, Kunst, Kultur, auch eine saubere Umwelt. Beim Konsum, beim dicken Auto oder den neuen Klamotten, da hält der Glückseffekt meist nur sehr kurz an. Es geht auch darum, herauszufinden, wie es um ein breiteres Set von Indikatoren steht. Einkommen, Arbeit, Sicherheit und Bildung — wie ist es um diese Faktoren in Wuppertal bestellt? Und dann bringen wir das mit der subjektiven Wahrnehmung zusammen. Natürlich wissen wir, wie viele Wuppertaler eine Arbeit haben, aber wie zufrieden sind sie? Mehr Wissen über die Wahrnehmungen der Bürger – das ist enorm wertvoll für Politik und Verwaltung, daher sind unsere Ergebnisse auch in das aktuelle Stadtentwicklungskonzept mit eingeflossen.
Die App ist also auch eine Art Bürgerbefragung?
Haake: Ja, durchaus. Wir wollen eine lebenswerte, glückliche Gesellschaft, aber steuern diese primär mit Wirtschaftskennzahlen. Dabei brauchen wir eben Daten über Glück, über dessen Einflussfaktoren und über die Ressourcen, die wir bei unserem Streben nach Glück verbrauchen. Ziel der Erhebung war es ja, mehr über das Glück in Wuppertal zu lernen, wie es sich zusammensetzt und was mögliche Einflussfaktoren sind. Ein Haus im Grünen oder die lebendige Innenstadt? Freie Fahrt auf der Stadtautobahn oder grüne Straßen, auf denen Kinder spielen? Spielplätze, Grünflächen, Nachbarschaften – alles Dinge und Orte, die Wert schaffen, aber monetär kaum zu fassen sind. Mehr über subjektive Einschätzungen der Bürger zu wissen, hilft immer – und das wird dann auch ganz schnell ein Instrument für Beteiligung, denn wenn wir wissen, wo der Schuh drückt, können wir auch Vorschläge entwickeln – für die Politik, die Zivilgesellschaft, aber auch die Bürger selber.
Spannend! Können Sie uns konkrete Beispiele geben?
Haake: Konkret im Sinne von Handlungsempfehlungen wird es, wenn sich zeigt, dass Autofahrer, je öfter sie fahren, unzufriedener werden mit den Straßen, die Nutzer des ÖPNV aber zufriedener mit dessen Infrastruktur. Bisher sind Fußgänger und Nutzer des ÖPNV zufriedener als Auto- oder Radfahrer. Die größte Unzufriedenheit mit dem ÖPNV zeigen interessanterweise die Menschen, die ihn nicht nutzen. Besonders negativ sind die Ergebnisse bezüglich Lärm und Sauberkeit. Vor allem in Elberfeld und Oberbarmen klagen die Menschen über eine sehr hohe Lärmbelastung; in Ronsdorf und Cronenberg hingegen sieht das viel besser aus. Vor allem was die Sauberkeit betrifft, könnte die Stadt ja prinzipiellgegensteuern, indem sie mehr Geld in die Stadtreinigung investiert.
Und was haben Sie über das persönliche Glück der Wuppertaler erfahren?
Haake: Man kann es vielleicht so zusammenfassen: Stabilität ist wichtig, damit Menschen sich sicher und zufrieden fühlen. Das gilt für private Beziehungen ebenso wie für Arbeitsplätze. Kinder hingegen gehören nicht unbedingt dazu, da sie in Kombination mit einem stressigen Job zu Druck und größerer Belastung führen. Umgekehrt ist der Verlust von Arbeit oder Partner der größte Glücks-Killer. Menschen ab 50 sind glücklicher als jüngere. Wer lange zur Arbeit pendeln muss, ist grundsätzlich unzufriedener – egal, ob er dafür das Auto oder den ÖPNV nutzt. Grundsätzlich gilt: Je größer mein eigener Einfluss auf mein Leben ist, desto glücklicher bin ich. Wer nach dem Sprichwort „Ich bin meines eigenen Glückes Schmied“ lebt, macht es richtig. Machen, entscheiden, gestalten, aktiv werden, das ist wichtig. Wer etwa unzufrieden mit der Sauberkeit in seinem Viertel ist, kann auch ganz einfach selbst Müll aufsammeln. Wer mehr Grün möchte, engagiert sich bei Urban-Gardening-Projekten. Wie viel man die Bürgerschaft mit eigener Initiative erreichen kann, hat die Wuppertal Bewegung mit dem Bau der Nordbahntrasse eindrucksvoll bewiesen. Und genau dieses Engagement ist eines der positivsten Eigenschaften der Wuppertaler.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt „Glücklich in Wuppertal“?
Haake: Nach der primären Befragungsperiode sind wir momentan weniger aktiv, aber wir denken in zwei Richtungen weiter: Einerseits die Verbindung mit unseren Arbeiten zu Wohlstandsindikatoren, um insgesamt die Stadt besser erfassen zu können. Andererseits die engere Verbindung mit Teilen der Verwaltung, so dass im Idealfall Rückmeldungen der Bürger sehr schnell aufgenommen werden können und auch eine Reaktion sichtbar wird. Da werden wir in den nächsten Monaten auch mit den neu gewählten Politikern darüber sprechen.
Das Interview führte Nicole Bolz, Journalistin für die TreuePost
Haben Sie die neue TreuePost schon gelesen? Hier geht´s zur Online-version: https://web.sparkasse-wuppertal.de/TreuePost/
Schreibe einen Kommentar